INTERVIEWS
Ein Gespräch mit Claudia Küppers zur Premiere von „Poppäa“ Erschienen im „Biograph“ Düsseldorf / Oktober 2001
Ein delikater Grenzgang
Biograph: Frau Küppers, bevor wir über Ihre Inszenierung der Oper Poppäa sprechen, wäre es schön, wenn Sie unseren Lesern etwas zu Ihrem Werdegang sagen könnten.
Küppers: Für mich war es immer wichtig, mein Interesse an bewegten Körpern mit konzeptionellem Denken für die Bühne zusammenzubringen. Ich habe mich bewusst gegen eine Tanzausbildung und für ein Studium der Angewandten Theaterwissenschaften, der „Giessener Schule“, entschieden. Das Studium da ist sehr frei und offen. Man bekommt sowohl auf theoretischer als auch auf praktischer Ebene eine Menge starker Impulse, wobei die Theorie überwiegt. Bei einer Reihe von Arbeiten habe ich mich an die Praxis herangetastet. Es hat sich herausgestellt, dass die physische Präsenz eines Performers /einer Performerin für mich der Ausgangspunkt ist, dass die Präsenz auf die eingesetzten Medien Video, Text, Musik abstrahlt.
Biograph: Wer spielt bei ihre aktuellen Arbeit eine Rolle?
Küppers: Seit 1997 arbeite ich mit dem Video-Künstler Dirk Poerschke zusammen…
Biograph: … die Video-Einspielungen in Ihren Produktionen sind sehr gut, man hat da das Gefühl, dass endlich einmal die Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die ein Zusammenspiel von Bühne und Film eröffnet. Gibt es noch jemand?
Küppers: Ja, für mich ist die Kollegin Susanne Scheiber noch sehr wichtig, mit der ich seit Jahren sehr eng zusammenarbeite und alle Konzepte bespreche. Wir haben einen konzeptionellen Vorlauf von etwas einem halben Jahr. Das ist für den Tanztheaterbereich ganz außergewöhnlich. Oft geht man dort von der Arbeit mit den Tänzern aus. Bei uns gibt es eine starke strukturelle und dramaturgische Vorgabe, das kann sich aber dann während der Proben alles ändern und wird für mich zum Grenzgang, zu einem delikaten Grenzgang.
Auf der einen Seite steht das Konzept, auf der anderen Seite muss sich das Konzept an der Praxis beweisen. So entsteht eine Reibung zwischen Denken und Aktion, die man konstruktiv gestalten kann. Vielleicht funktioniert für die Performer etwas Anderes besser, oder was an der Stelle geplant war, bewahrheitet sich in der Probe nicht.
Biograph: Wie kommen Sie auf die Oper Poppäa?
Küppers: Mir hat die Handlung gut gefallen. Zwei Paare zerfallen und allmählich entstehen zwei neue Paare. Und ich mache neue Erfahrungen dabei, es ist das erste Mal, dass ich mit Tänzern arbeite, bisher habe ich nur mit Tänzerinnen gearbeitet. Außerdem ist es für mich neu, eine feste Vorlage zu haben. Da wir schon einige Zeit proben, kann ich sagen: es sind für mich positive Erfahrungen.
Biograph: Frau Küppers, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Interview mit Claudia Küppers in der Westdeutschen Zeitung vom 28.7.2007 anlässlich der Aufführung „Partita in D-moll“ im Tanzhaus NRW
Sie fragen in dem Stück nach den Gemeinsamkeiten von Schrift und Tanz. Welche gibt es?
Küppers: Eigentlich ist der Tanz eine flüchtige Kunst, während die Schrift Gedanken speichert- also ein Widerspruch. Wenn man jedoch die Schrift zweidimensional betrachtet, als Bewegung der Hand über ein Blatt, kommen sie sich schon näher. Ich versuche es dreidimensional, indem die Körper Wege in den Raum zeichnen.
Muss man die Schrift lesen können, um Ihren Tanz zu verstehen?
Küppers: Nein, ich bin da ganz unpädagogisch, man benötigt keinerlei Vorkenntnisse. Es geht um die sinnliche Wahrnehmung, der reinen Lust am Tanz. Der Anspruch an meine Choreografie ist nicht deckungsgleich mit dem an die Zuschauer.
Wodurch unterscheidet sich Ihr Ansatz von dem anderer Choreografen?
Küppers: Ich arbeite sehr strukturell mit einem Zeichensystem von Linien, Punkten und Kuben. Ich gebe dann die Formen vor, doch wie sie getanzt werden, ist verschieden. So wie jeder Mensch eine einzigartige Handschrift besitzt, so hat auch jeder Tänzer durch seine Bewegungen eine einzigartige Signatur.